Hintergrund
Seit dem Jahr 2008 traten im Familienrecht eine ganze Reihe von Reformen in Kraft. Eine der bedeutendsten Änderung fand im Bereich Unterhaltsrecht statt. Wesentliche Änderungen dieser als Unterhaltsrechtsreform bekannten Gesetzesänderung wurde im Bereich der Rangfolge gemacht. Die Folge sind in einigen Bereichen kürzere Laufzeiten von Unterhaltsleistungen sowie eine erschwerte Beweiserbringung für Unterhaltsbedürftige. Die größte Änderung war hingegen, dass zunächst Kinder, auch außereheliche Kinder mit Unterhalt zu versorgen sind, bevor eine Ehepartner seinen Anspruch auf Unterhalt durchsetzen kann. Ziel dieser Reformen war es, eine Stärkung der Eigenverantwortung, wie es sozial- oder arbeitsrechtlich bereits mit den Gesetzen aus der Agenda 2010 (zum Teil schmerzlich für die Betroffenen) durchgesetzt wurde, auch auf den familienrechtlichen Bereich auszudehnen. Das unter Juristen geflügelte Wort "Einmal Chefarztgattin – Immer Chefarztgattin", dass sich auf lebenslange Unterhaltszahlungen bezieht, stimmt seit Inkrafttreten dieser Reformen kaum noch.
Neues Recht
Ein Unterhaltszahler kann nur soweit zur Kasse gebeten werden, wie er leistungsfähig ist. Wenn ein Angestellter Unterhalt für 2 oder 3 gemeinsame minderjährige Kinder zahlen muss, kann ihn oder sie es an die Grenze der finanziellen Leistungsfähigkeit führen. Der Selbstbehalt regelt die Grenze der Unterhaltsbelastung. Sollte immer noch Einkommen vorhanden sein, nachdem der Unterhalt an die Kinder bezahlt hat, kann der Ehepartner seine Unterhaltsforderungen anmelden und durchsetzen. Hierbei ist es unerheblich, ob die Kinder aus einer Ehe entstammen oder unehelich sind. Ehepartner sind fortan zweitrangig zu bedienen.
Altes Recht
Nach altem Recht hatten die Unterhaltsforderungen des geschiedenen Ehepartners Vorrang vor anderen Forderungen aus dem Unterhaltsbereich. Reichte das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten nicht mehr für die Kinder aus, so übernahm die Unterhaltsvorschusskasse die Zahlung des Kindesunterhalts. Nachgeordnet waren darüber hinaus nichteheliche Kinder. Beides ist seit der Reform vorbei.
Auswirkungen
Wer auf Unterhalt angewiesen ist, wird mit dieser geänderten Rangfolge gezwungen, schneller für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Obwohl einige dieser Reformen durch höchstrichterliche Urteile des BGH an Schärfe verloren haben, bleibt der Kern der Reformen weiterhin erhalten. Besonders in den Fällen, in denen das monatliche Einkommen des Unterhaltsverpflichteten nicht ausreicht, um alle auf Unterhalt angewiesenen Personen zu versorgen, bleibt am Ende den geschiedenen Ehepartnern nichts anders übrig, als irgendwie zu versuchen, beruflich wieder Fuß zu fassen. Einige Gerichte stellen darüber hinaus Forderungen an Unterhaltsempfänger, die diese nur schwer erfüllen können. So hat ein Gericht in Sachsen-Anhalt einer 54-Jährigen Frau zugemutet, in vollem Umfang arbeiten gehen zu können, obwohl diese, bedingt durch die Ehe, bereits vor vielen Jahren aus der Berufswelt ausgeschieden ist. Auch eine Aufstockung des Gehalts durch Aufstockungsunterhalt hat das Gericht nicht für geboten angesehen.
Fazit
Es ist nicht immer alles so, wie es sich auf den ersten Blick darstellt. Diese Reformen sollen die Gerechtigkeit fördern, sind aber in erster Linie dazu da, die Staatskasse zu entlasten. Darüber mag man geteilter Meinung, da auch das einen positiven Effekt auf unser Land hat; im Einzelfall eines auf Unterhalt Angewiesen kann es dazu führen, dass dieser ohne Einkommen dasteht, wenn der berufliche Wiedereinstieg nicht oder nicht ausreichend gelingt. Auf der anderen Seite ist für die Absicherung der Kinder gesorgt.
Hintergrundwissen Familienrecht
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Vortrag zum aktuellen Scheidungs- und Unterhaltsrecht
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Schwerpunkte des Vortrags:
Darüber hinaus stellen unsere Anwälte den Ablauf einer Scheidung vor.
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