Hintergrund
Auch das Familienrecht hat sich, wie jedes andere Rechtsgebiet auch, im Laufe der Jahre verändert. So traten in jüngster Zeit Reformen in Kraft, die der gesellschaftlichen Wirklichkeit stärker Rechnung tragen. Die gesellschaftliche Wirklichkeit sieht heute so aus, dass ca. 50 Prozent aller Ehen geschieden werden. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert, indem er Gesetze erlassen hat, die helfen sollen, eine gerechtere Verteilung des Zugewinns zu ermöglichen. Die Verteilung des Zugewinns soll nicht nur der bisherigen Ehe Rechnung tragen. Häufig dient es dazu, den Neustart für den wirtschaftlich Schwächeren zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen. Das ist zumindest im Ansatz gelungen. So wurde z.B. versucht, illoyalen Vermögensverschiebungen einen Riegel vorzuschieben. In der Praxis geht das mit einem geänderten Datum für die Festlegung des Zugewinnausgleichsanspruches einher.
Seit der Reform z.B. gilt als Stichtag für die Berechnung des Endvermögens der Tag, an dem der Scheidungsantrag der Gegenseite zugestellt wird. Damit haben Ehepartner weniger Gelegenheiten, Vermögen beiseite zu schaffen und damit die Höhe des Zugewinnausgleichs zu beeinflussen. Natürlich besteht mit dem Tag der Zustellung des Scheidungsantrages keine Haushaltssperre bei den üblichen Ausgaben. Selbst Ausgaben, die das tägliche Maß übersteigen, können nach wie vor gemacht werden. So gelten z.B. die Kosten für den Anwalt, der das Scheidungsverfahren führt, als zu berücksichtigende Kosten, obwohl diese Kosten nicht alltäglich sind. Das Gesetz soll Eheleute davor schützen, Vermögensverschiebungen in größerem Ausmaß hinnehmen zu müssen. Wie Betroffene vorgehen sollten, wie umfangreich Ihr Auskunftsanspruch ist und wo eine Grenze erreicht wird, die Sie nicht hinnehmen müssen, schildern wir im folgenden Kapitel.
Umfang der Auskunftsansprüche
Das Gesetz regelt, wie umfangreich der Auskunftsanspruch zu erfüllen ist. So muss der Auskunftsverpflichtete Angaben so machen, aus denen der auskunftbegehrende Ehepartner in die Lage versetzt wird, die Werte selbst oder unter Hinzuziehung von Fachleuten zu ermitteln. Was bedeutet das in der Praxis? Die Auskünfte beschränken sich auf Angaben, die Rückschlüssen auf die sog. Werthaltigkeit ermöglichen. Das bedeutet nicht, dass der Auskunftsverpflichtete die Wertberechnungen selbst durchführen muss. Um es salopp zu sagen: Wenn ein Ehepartner dem anderen einen Sack voll mit Quittungen und Belegen übergibt, aus denen sich die Werte der involvierten Vermögensgüter errechnen lässt, ist das völlig ausreichend. Der auskunftsbegehrende Ehepartner muss jetzt zusehen, wie er aus dem Berg von Unterlagen eine Vermögensaufstellung macht, die einem eventuellen Streit, also auch einem Gerichtsverfahren standhält.
Belege, Quittungen und mehr
Hierzu zählen alle Nachweise, aus denen sich die sog. wertbildenden Faktoren entnehmen lassen. Um Ihnen einen Eindruck zu geben, auf welcher Grundlage die Wertermittlung erfolgt, haben wir Ihnen die Vermögenswerte aufgelistet, über die am häufigsten gestritten wird.
Auskünfte über Immobilien und Grundstücke:
Lage und Größe
Art der Nutzung
Bebauung / Erschließung
§ 1379 I 2 BGB legt dem auskunftspflichtigen Ehegatten nicht die Pflicht auf, sein Grundstück begutachten zu lassen. Allerdings kann er zwecks Wertermittlung seines Hausanwesens verpflichtet werden, die Baupläne, Umbau- und Renovierungsberechnungen sowie die Einheitswertbescheide und Brandversicherungsunterlagen vorzulegen
Auskünfte über Unternehmen und -beteiligungen:
Gewinn- und Verlustrechnungen oder Bilanzen der letzten 5 Jahre vor dem Stichtag
Gesellschafterverträge
Hinweis: Unterlagen, die einen Einblick in die Vermögensverhältnisse von Mitgesellschaftern ermöglichen, sind aus datenschutzrechtlichen Gründen an den entsprechenden Stellen zu schwärzen oder die Unterlagen einem zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer vorzulegen (sog. Wirtschaftsprüfervorbehalt).
Auskünfte bei Freiberuflern und Selbständigen:
Auskünfte über Gesellschaftsverträge
Gewinn- und Verlustrechnung der letzten Jahre ( wird zur Berechnung des Goodwill herangezogen)
Auskünfte über PKW:
Typ
Baujahr
Aktueller Kilometerstand
Anzahl der Vorbesitzer
Unfälle
Auskünfte über landwirtschaftliche Betriebe:
Lage und Größe der Betriebsflächen sowie die Nutzungsart
Betriebsmittel
Unternehmensertrag
Löhne und Gehälter
Jahresabschlüsse der letzten Wirtschaftsjahre
Auskünfte über Geräte und Maschinen:
Fabrikat
Baujahr
Erscheinungsbild und Erhaltungszustand
Auskünfte über Verbindlichkeiten:
Aufstellung der Verbindlichkeiten mit Angabe der Höhe sowie Namen der Gläubiger
Zweck des Kredites
Auskünfte über Lebensversicherungen:
Angabe des Rückkaufwertes der Lebensversicherung
Angabe des Überschuss-/Gewinnanteils
Auskünfte über Arztpraxen:
Anteil an der Praxis
Wert der Praxiseinrichtung
Umsatz der letzten Jahre
Anzahl Krankenscheine
Anzahl und Zusammensetzung des Patientenstammes
Außergerichtliches Vorgehen
Sinnvoll ist es, zunächst auf außergerichtlichem Wege vorzugehen und zu versuchen, die Auskünfte zu erhalten. Wer Auskunft begehrt, sollte darauf achten, dass die vorliegenden Angaben vollständig sind. Hier wird schon mal das eine oder andere "vergessen" anzugeben. Aber auch eine vollständige Aufstellung kann die auskunftbegehrende Seite schnell überfordern.
Um es zu verdeutlichen: Im Falle der Bewertung eines Unternehmens oder eines Unternehmensanteils ist die Einbeziehung eines Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters sinnvoll, da in der Gewinn- und Verlustrechnung oder in der Bilanz zwar der Wert des Unternehmens im aktuellen Tagesgeschäft erfasst ist, sich jedoch häufig nicht der Wert, der im Zugewinnausgleich zu berücksichtigen ist, ableiten lässt, da dieser meist viel höher ist, da auch der sog. Goodwill, also der Preis, den das Unternehmen am Markt erzielen könnte, erfasst werden muss. Die wenigsten Unternehmer wissen, wie hoch der Wert ihres Unternehmens unter Berücksichtigung des Goodwills tatsächlich ist, denn auch der Wert für eingeführte Marken können ganz schnell ganz erhebliche Vermögenswerte darstellen.
Gerichtliche Maßnahmen
Ein eingeräumtes Recht wäre nichts wert, wenn es nicht gerichtlich durchgesetzt werden kann. So kann zur Erlangung der Auskünfte eine sog. Auskunftsklage geführt werden, die, je nach Antrag, zu weiteren gerichtlichen Schritten führen kann. Juristen sprechen hier von einer sog. Stufenklage. Das bedeutet, dass zunächst der Auskunftsanspruch durchgesetzt wird und die Ergebnisse hieraus für das weitere Verfahren genutzt werden.
Zwangs(vollstreckungs)maßnahmen
Wurde der Anspruch auf Auskunft erfolgreich erstritten, ist der Auskunftsverpflichtete im wahrsten Sinne des Wortes verpflichtet worden, diese Auskünfte auch wirklich zu geben. Wer sich weigert, kann mit drastischen Zwangsmaßnahmen rechnen, zu denen u.a. die Abgabe einer Versicherung an Eides statt gehört. Hier ist Wahrheitspflicht geboten. Wer falsche Angaben macht, landet für mindestens 1 Jahr im Gefängnis (Geldstrafen sind bei Meineid vom Gesetz her nicht vorgesehen). Wer versucht, sich um die Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung zu drücken, kann mittels Beugehaft solange im Gefängnis verbleiben, bis er die Angaben gemacht hat.
Gegenmaßnahmen
Hat das Verfahren erst einmal den Grad erreicht, dass die Vollstreckungen ins Haus stehen, sind schon fast alle Möglichkeiten verspielt, das Geschehen in der Hand zu behalten. Vollstreckungswiderklagen sind nur sehr eingeschränkt möglich und haben bestenfalls eine aufschiebende Wirkung. Es gilt, je früher ein Verfahren in eine andere Richtung gelenkt wird, desto erfolgversprechender verläuft es.
Kosten
Außergerichtliche Auskunftsersuchen sind ebenso mit Kosten verbunden wie gerichtliche Verfahren, jedoch liegen diese Kosten etwas höher und richten sich nach den Gebührentabelle für Anwälte und Gerichte, sind jedoch nicht so teuer wie ein reguläres Verfahren einer Zahlungsklage. Um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden, sollten Mandanten zunächst versuchen, Auskünfte auf außergerichtlichem Wege zu erlangen. Eine Auskunftsklage kann jedoch der einzige Weg sein, an die Auskünfte zu gelangen, in diesem Fall sind die Kosten hierfür unumgänglich. Ein Betroffener sollte erhaltene Auskünfte nur insoweit selbst prüfen, wie er dazu in der Lage ist. Umsichtiger wäre es, wenn der Auskunftbegehrende von vornherein eine Summe für die Überprüfung der gemachten Angaben einplant. So kann er sicher gehen, dass auf fehlende Unterlagen hingewiesen wird und die andere Seite keine Unterlagen zurückhält.
Fazit
Bei der Durchsetzung der Auskunftsansprüche geht es nicht immer fein zu. Aber darum geht es ja in dem Verfahren auch nicht. Für den Betroffenen ist es wichtig zu wissen, wie hoch der Ausgleichsanspruch aus dem Zugewinn tatsächlich ist. Hierfür sollten alle Möglichkeiten ausgenutzt werden, da sich ein entschlossenes Vorgehen häufig auch in einem deutlich verbesserten Endergebnis widerspiegelt.
Hintergrundwissen Familienrecht
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Vortrag zum aktuellen Scheidungs- und Unterhaltsrecht
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