Stephan Sieh Familienrecht


Leitsatz

Das allgemeine berufliche Interesse eines gewerblichen Erbenermittlers begründet grundsätzlich kein berechtigtes Interesse i.S.v. § 13 Abs.2 S.1 FamFG an der Einsicht in Nachlassakten.

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beteiligten nach einem Wert von 3.000 € zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Beteiligte ist gewerblich als Erbenermittler tätig. Mit Schreiben vom 25. Januar 2010 (Bl. 5 f. d.A.) hat er unter Bezugnahme auf § 13 Abs. 2 FamFG beantragt, ihm Einsicht in die im Beschlusseingang genannten Nachlassakten zu gewähren. Zur Begründung hat er auf die öffentliche Aufforderung zur Anmeldung von Erbrechten nach der am 11. Februar 2006 verstorbenen E. E. S. (Amtsgericht Charlottenburg, 61 VI 51/06) verwiesen, die eine Schwester der Erblasserin sei. Er erwarte, dass die Akten über den Nachlass der Erblasserin Angaben über die Eltern der beiden Schwestern und evtl. Hinweise auf weitere Geschwister oder deren Nachkommen enthielten.

Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 19. April 2010 zurückgewiesen (Bl. 10 d.A.). Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten vom 12. Mai 2010 (Bl. 14 ff. d.A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf Bl. 5 bis 21 d.A. Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 58 ff. FamFG), jedoch nicht begründet. Gemäß § 13 Abs. 2 S.1 FamFG kann am Verfahren nicht beteiligten Personen Akteneinsicht nur gestattet werden, soweit sie ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen und schutzwürdige Interessen eines Verfahrensbeteiligten oder eines Dritten nicht entgegenstehen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Der Beteiligte hat kein berechtigtes Interesse i.S.v. § 13 Abs. 2 S.1 FamFG an der Akteneinsicht. Der Begriff des berechtigten Interesses ist weitergehend als der des rechtlichen Interesses i.S.v. § 299 Abs. 2 ZPO oder § 62 Abs. 1 PStG, das sich auf ein bereits bestehendes Rechtsverhältnis stützen muss. Berechtigtes Interesse ist jedes vernünftigerweise gerechtfertigte Interesse tatsächlicher, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art, das sich nicht auf vorhandene Rechte zu gründen oder auf den Verfahrensgegenstand zu beziehen braucht (vgl. BGH, NJW-RR 1994, 381; Senat, NJW-RR 2006, 1294; OLG Hamm, Rpfleger 2011, 33, 34). Dem unterfällt das allgemeine Interesse eines gewerblichen Erbenermittlers an Informationen, auf deren Grundlage er möglicherweise Erben ermitteln und von diesen eine Vergütung erhalten kann, nicht (vgl. OLG Hamm, a.a.O., S. 35; OLG Schleswig, OLGR 1999, 109, 110; LG Berlin, NJW-RR 2004, 1234, 1235; Prütting/Jennissen, FamFG, § 13 Rn. 35). Das ergibt sich aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Verfahrensbeteiligten und sonstiger Dritter (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) sowie dem postmortalen Persönlichkeitsrecht des Erblassers (Art. 1 Abs. 1 GG), die schon bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs einzubeziehen sind (vgl. Senat, NJW-RR 2004, 1316, 1317). Das Interesse an der Sammlung von Daten und deren wirtschaftlicher Verwertung rechtfertigt es nach vernünftigen Erwägungen nicht, Einblick in persönliche Verhältnisse zu gewähren, die in einem gerichtlichen Verfahren offenbart wurden. Das berufliche Interesse des Erbenermittlers genügt nur dann, wenn es durch den Auftrag eines Berechtigten – z.B. eines Nachlasspflegers (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Januar 2011, 1 W 359/10) – legitimiert ist.

Aber selbst wenn das Interesse des Beteiligten berechtigt wäre, stünden der Akteneinsicht aus den zuvor genannten Gründen jedenfalls schutzwürdige Interessen i.S.v. § 13 Abs. 2 S. 1 FamFG entgegen. Das Erfordernis eines Datenschutzes entfällt nicht etwa deshalb, weil Erben nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein überwiegendes Interesse an ihrer Ermittlung haben. Zum einen obliegt es allein dem Nachlassgericht und ggf. dem von ihm bestellten Nachlasspfleger (§ 1960 Abs. 2 BGB) zu entscheiden, welche Maßnahmen zur Erbenermittlung erforderlich sind. Zum anderen ist wie bei jedem Erbenermittler ungewiss, ob der Beteiligte Erben – hier der E. S. – ausfindig machen würde. Im Verfahren über den Nachlass der E. S. haben sich bereits ein vom Nachlasspfleger bevollmächtigter Erbenermittler und nach der Bekanntmachung gemäß § 1965 Abs. 1 BGB sechs weitere gewerbliche Erbenermittler sowie Erbprätendenten gemeldet. Schließlich ist bei der Interessenabwägung auch die Wertung des Gesetzgebers in § 62 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 PStG zu berücksichtigen. Der Beteiligte will durch die Akteneinsicht Informationen erhalten, die er auch durch Einsicht in Personenstandsurkunden erlangen könnte. Ist die Registereinsicht an ein rechtliches Interesse geknüpft, das dem Beteiligten hier fehlt, erscheint es nicht angemessen, ihm durch Akteneinsicht die Kenntnisnahme von Daten zu ermöglichen, die sich aus Angaben der Beteiligten oder zu den Akten gereichten Personenstandsurkunden ergeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 S. 1 KostO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen gemäß § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG vor.


Anfragen, Auskünfte, Terminvereinbarungen:

Stephan Sieh | Spezialkanzlei für Scheidungs- und Nachlassrecht

Dominicusstraße 50
10827 Berlin

Telefon: 0800 - 546 2000 (gebührenfrei)

Telefon: 030-531 42 48 00
Telefax: 030-531 42 48 015

Web: www.sieh-familienrecht.de

E-Mail: info@sieh-familienrecht.de